Dienstag, 7. April 2020

Schloss Solitude, Stuttgart | Allgemeines 10. April 1774: Vom Ende einer Ausbildung auf der Solitude und dem Beginn einer Reise

Am 10. April 1774 beendete Carl Friedrich Scheidlin seine Ausbildung als Gärtner an der Carlsschule auf Schloss Solitude. Der heute kaum noch bekannte Scheidlin war einer der ersten Schüler an dieser neuen Bildungsanstalt. Herzog Carl Eugen hatte sie ins Leben gerufen, um Fachkräfte für seine aufwändigen Projekte im Land heranzuziehen. Scheidlin konnte nach der Ausbildung auf der Solitude eine ausgedehnte Bildungsreise durch Europa machen – und kehrte 1780 als wieder zurück zur Solitude. Dort erhielt er „den untertänig erbetenen Charakter als Hofgärtner“.

EIN GÄRTNER AUF REISEN
Am 10. April 1774 wurde der Schüler Carl Friedrich Scheidlin von der Militärakademie bei Schloss Solitude als Gärtner entlassen. Seine Ausbildung empfing er an einem der Vorzeigeobjekt des württembergischen Herzogs Carl Eugen: der Carlsschule, die 1770 gegründet wurde. Der weitere Lebenslauf Scheidlins unterstreicht Renommee und Anspruch der Schule: 1775 begab sich Scheidlin, ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben und vor allem mit einem Stipendium, auf eine ausgedehnte Reise. Um es auf heutige Ausbildungsbegriffe zu übertragen: Er zog durch Europa und machte überall da „Praktika“, wo grade wichtige Projekte liefen.

 

STATIONEN IN BRUCHSAL, SCHWETZINGEN, PARIS UND LONDON
Das waren damals die großen herrschaftlichen Gartenanlagen. Er begann seine Tour in den bischöflichen Gärten von Bruchsal und im Schlossgarten der kurpfälzischen Sommerresidenz in Schwetzingen. Von hier zog es ihn weiter nach Zweibrücken – und dann nach Paris, London und in die Niederlande. Mit dieser Erfahrung kehrte er in seine Heimat zurück und erhielt 1780 „den untertänig erbetenen Charakter als Hofgärtner“ an der Solitude. Dort pflegte er nun – nach Jahren der Ausbildung und Berufserfahrung – zusammen mit weiteren Gärtnern die ausgedehnte Anlage des Herzogs bei Schloss Solitude.

 

DIE KARLSSCHULE AUF DER SOLITUDE
Gegründet hatte Herzog Carl Eugen die Carlsschule als Ausbildungsort für hochqualifiziertes Personal im Land – eine Militärakademie, die zugleich Kunstakademie und teilweise auch eine allgemeine Hochschule sein sollte. 1770 war ihr Gründungsdatum, der erste Standort war damals das weitläufige Gelände auf der Solitude. Die Schule war ein Teil des riesigen Schlosskomplexes mit seinen Gärten und vielfältigen Gebäuden; der Ausbau wurde seit den 1760er-Jahren mit Hochdruck vom Herzog vorangetrieben. Einige hundert Schüler wurden dort ausgebildet, aufgenommen wurden sie in der Regel zwischen dem 7. und 9. Lebensjahr.

 

DAS HERZOGLICHE PROJEKT WÄCHST
1770 etwa wurden 14 „Garten- und Stukkatorknaben“ zur Erziehung- und Ausbildung aufgenommen. Der Herzog brauchte dringend Fachkräfte für seine Projekte. Sie sollten in Gärtnerei und Baugewerbe Verwendung finden. Im Laufe des Jahres 1770 kamen weitere Knaben dazu, meist die Söhne von Angehörigen des Militärs. 1771 wurde die Anstalt um eine „Militärische Pflanzschule“ erweitert, eine Ausbildungseinrichtung für den Hof-, Staats- und Kriegsdienst. Ab 1774 wurden auch Künstler und Musiker ausgebildet. 1775 kam die Verlegung in die Stadt: Damals entstand das Akademiegebäude hinter dem Stuttgarter Neuen Schloss, das erst in der Nachkriegszeit abgerissen wurde. 1781 erhielt die Carlsschule den Rang einer Universität und hieß nun Hohe Karlsschule

 

EIN GARTEN VERBLÜHT
Als Scheidlin 1780 „den untertänig erbetenen Charakter als Hofgärtner“ an der Solitude erhielt, hatte die Schlossanlage längst ihren Zenit überschritten. Der Herzog hatte sich inzwischen anderen Projekten wie dem Schloss Hohenheim zugewandt. Der berühmte „topographische Plan der Solitude bey Stuttgart“, gezeichnet im Jahr 1777, wurde erst 1784 gestochen und gedruckt – da waren die Gärten schon lange nicht mehr in herzoglicher Nutzung. Schließlich wurden sie zu Musterplantagen für die Weiterentwicklung des württembergischen Obstbaus – unter der Leitung von Johann Caspar Schiller, Vater des Dichter-Klassikers. Heute lässt sich beim Spaziergang im weitläufigen Gelände des Schlosses nur noch ahnen, wie der herzogliche Garten einst aussah, Wiesen, Obstbäume und der Wald beherrschen das Bild. Der grandiose Blick vom Schloss in die Weite der Landschaft ist heute noch so schön wie vor 246 Jahre, als Carl Friedrich Scheidlin sein Gärtnerexamen auf der Solitude gemacht hat.

 

Information

Aktuell ist Schloss Solitude wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ebenso wie alle Kultureinrichtungen geschlossen.

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